Für viele war heute ein ganz normaler Tag, ein ganz normaler Arbeitstag, um genau zu sein. Aber es gibt einige Menschen, vielleicht so um die 300, die das Glück hatten, einem sehr speziellen Arbeiter bei seinem Tagewerk zusehen zu dürfen.

Der hatte gestern schon seine Sachen gepackt, war ins Flugzeug gestiegen und nach Fürth geflogen, um in der Stadthalle seinen Job zu erledigen. Nun backt Ronnie O'Sullivan keine Brötchen und er schauspielert auch nicht; Noch viel weniger singt er oder bringt die Leute zum lachen mit komödiantischen Darbietungen. Nein, Ronnie O'Sullivan ist Snooker-Spieler und genau das kann er auch vortreflich: Snooker spielen.
Klar, heute hat nicht nur Ronnie O'Sullivan zum Queue gegriffen, um die Bälle gekonnt in die Taschen zu treiben, aber er setzte das Highlight des Tages. Deswegen beginnt dieser kleine Bericht über den ersten Tag der ehemaligen Paul-Hunter-Classics und des jetzigen PTC4 auch mit Ronnie O'Sullivan.

Sein erstes Match um 13.00 Uhr spielte er gegen Ali Kirim, der sich durch die Qualifikationsrunden eine Begegnung mit Ronnie erkämpft hatte.Kirim konnte O'Sullivan aber über das gesamte Match nicht wirklich unter Druck bringen. Doch trotzdem ein noch etwas unkonzentriert wirkender O'Sullivan immer wieder Flüchtigkeitsfehler einbaute, war er nie wirklich in Gefahr, das Match zu verlieren. Ali Kirim nutzte die Schwächen von Ronnie nicht und so sicherte er sich in Frame 4 mit einem Break von 88 Punkten den Matchgewinn glatt mit 4:0

Sein nächster Gegner war um 17.00 Uhr dann Anthony McGill, der seinen vorhergehenden Gegner, Kyren Wilson, mit 4:2 besiegen konnte. McGill brachte Ronnie schon wesentlich mehr unter Druck, diktierte eine Zeit lang mit seinen Safeties ganz klar das Tempo des Matches. Aber im ersten Frame war es noch O'Sullivan, der nach einem Foul von McGill in die Bälle kam und mit einem Centurie von 103 Punkten den ersten Frame holte. Im zweiten Frame spielte dann McGill ein schönes, flüssiges Break von 84 Punkten, zeigte dabei Breakbuilding vom Feinsten und bewies, dass er weder wegen der Zuschaueranzahl nervös, noch von seinem Gegner eingeschüchtert war. Die nächsten beiden Frames waren dann umkämpft und genau dort lag die Stärke von McGill: Während Ronnie O'Sullivans Safeties in diesem Match selten gut genug waren, spielte McGill seine Safeties auf den Punkt und gab Ronnie so die eine oder andere Denksportaufgabe zu lösen. Alleine das manchmal unsaubere Lochspiel des jungen Spielers kostete ihn schließlich das Match. Ronnie gewann zwar nach Frames recht klar mit 4:1, zeigte auch 2 Centuriebreaks in diesem Match und wirkte insgesamt schon ein ganzes Stück fokussierter, als in seiner Erstrundenbegegnung, aber kam dennoch durch die guten Safeties von McGill zeitweise deutlich unter Druck.

Das letzte Match am heutigen Tag stand dann um 19.30 Uhr gegen Adam Duffy an und es war eben dieses Match, was dafür sorgte, dass die oben erwähnten ca. 300 Menschen den heutigen 26.08.2011 nicht so schnell vergessen werden.
Adam Duffy hatte im Match zuvor Joe Swail glatt mit 4:0 besiegt und hatte dort starkes Lochspiel, gute Safeties und eine gesunde Portion Mut gezeigt. Da er zwischen den beiden Matches gerade Mal 10 Minuten Pause hatte, war er noch warm, als er in der Hauptarena an den TV-Tisch kam und seinem Gegner, Ronnie O'Sullivan, vor dem Match die Hand schüttelte. Was dann für Adam Duffy folgte, war wohl eine der frustrierensten Erfahrungen, die ein Snookerprofi machen kann: Der Gegner locht und locht und locht und egal, was man auch versucht, man selber hat keine Chance.
Viel vorwerfen kann man Adam Duffy eigentlich nicht, denn er kam nicht wirklich dazu, viele Fehler zu machen. Hatte Ronnie "the rocket" O'Sullivan in den Matches zuvor noch deutlich geschwächelt, so stand jetzt jenes Genie am Tisch, dass die Snookerfans weltweit in verzückung geraten lässt. Den ersten Frame sicherte er sich mit Breaks von 54 und 85 Punkten, den zweiten Frame holte er sich mit einem Break von 80 Punkten. Der dritte Frame war dann der, der im Publikum für reichlich Tränen sorgte: Tränen der Freude, des Überwältigtseins, der Bewunderung für das Genie des Ronnie O'Sullivan.
Jeder, der Snookerfan ist, weiß, was für ein besonderer Moment ein Maximumbreak ist. Jeder, der Snookerfan ist, träumt insgeheim davon, dass sein Lieblingsspieler genau dieses wunderbare, fast unerreichbar scheinende, perfekte Break vollbringt, während man als Zuschauer live dabei ist. Sah man sich im Publikum um, so gab es keinen, der von Anfang an daran glaubte, dass O'Sullivan auf Maximumkurs gehen würde. Zunächst einmal spielte er sich beim Splitversuch im Pulk der Roten fest und gemurmelt war schon von einigen das Ende des Breaks verkündet worden. Aber wenn Ronnie in Spiellaune ist, dann gibt es keinen Ball, der nicht lochbar wäre, keine schlechte Stellung, keine Loch- oder Längenfehler. Je öfter er Schwarz und Rot im Wechsel lochte, desto stiller wurde es im Saal und gleichzeitig legte sich eine greifbare Spannung wie ein elektrisches Knistern über die Menschen. Als O'Sullivan dann die letzte Schwarze zur letzten Roten gelocht hatte, sauber auf Gelb gestellt hatte und eine Farbe nach der anderen abräumte, schien die Zeit still zu stehen.
Es dauerte Sekunden, bis er von einem gelochten Ball zum nächsten kam, aber es fühlte sich für die Zuschauer wie eine Ewigkeit an. Schon bei der letzten Roten brandete Applaus auf und als Ronnie sich schließlich runterbeugte und die letzte Schwarze in die Tasche beförderte, ging das "147 und Frame" des Schiedsrichters im Begeisterungssturm der Menge unter.

Ein Journalist schreibt nie von sich selber, habe ich mir sagen lassen, aber als Zeuge dieses Maximumbreaks muss ich dem Leser dieses Berichtes mitteilen, dass ich in der Halle saß und damit auch hautnah erleben durfte, was dieses Maximumbreak in den Zuschauern bewirkte: Sie sprangen von ihren Stühlen und riefen begeistert aus, klatschten und jubelten und als Ronnie die Menge grüßte und mit seiner Wasserflasche als Feiergeste zum Publikum eine Geste machte, sah ich neben mir eine Frau nach einem Taschentuch wühlen, um sich die Freudentränen wegzuwischen. Ein Mann vor mir wischte sich Tränen aus dem Gesicht, von weiter hinten hörte ich es leise schluchtzen. Sicher, ein Maximumbreak ist nichts weiter, als eine herausragende Leistung eines Sportlers - oder vielleicht auch nicht. Viele der Fans, der Ronnie O'Sullivan Fans haben so viel von ihrem Idol hinnehmen müssen. Seine Absagen in letzter Minute, seine nicht immer wirklich tollerierbaren Verhaltensweisen und Extravaganzen, seine manchmal fast von der Realität losgelöst scheinende Art. Aber heute Abend hatte er seine Fans für alles entschädigt und allen seinen Fans einen sehnlichen Wunsch erfüllt: Einmal dabei sein, wenn Ronnie O'Sullivan abhebt in den 147 Heaven, einmal live sehen, wenn er ein Maximumbreak macht, wenn er seinem Genie freien Lauf lässt und es nutzt.
Da dieses Break auf einem offiziellen WSA Tisch gespielt wurde und die PTC eine offizielle Turnierserie der WSA ist, zählt dieses Maximumbreak auch ganz offiziell. Er führt somit die Liste der am meisten gespielten Maximumbreaks wieder an, spielte jetzt insgesamt 11 Stück bei offiziellen Turnieren. 

Die anderen Spieler dürfen natürlich nicht (ganz) unerwähnt bleiben, schließlich hat nicht nur Ronnie O'Sullivan 3 Matches gespielt. Der amtierende Weltmeister spielte auch 3 Matches. Das erste gegen Sam Craige gewann er klar mit 4:1, dann folgte ein Match gegen Stephen Hendry. Higgins schlug den siebenfachen Weltmeister Hendry klar und deutlich mit 4:0. Das letzte Match gegen Li Yan wurde dann spannend, denn der junge Chinese spielte unbefangen auf und zwang den Weltmiester in einen Decider. Den verlor Higgins dann, so dass am Sonntag Li Yan Ronnie O'Sullivans nächster Gegner sein wird, nicht John Higgins. Mark Selby gewann alle seine Matches des heutigen Tages mit 4:0, bestätigte damit seine stabil-positive Formkurve. Der Vorjahressieger der ehemaligen Paul Hunter Classics, Judd Trump, verlor leider sein drittes Match gegen Andrew Higginson mit 3:4. Jimmy White sorgte in seinem Match gegen Kurt Maflin im letzten Frame für ein Ausrufezeichen, weil er nicht nur mit 4:0 gewann, sondern bis 120 Punkte auf Maximumbreakkurs war. Dann verschoss er aber die entscheidende Gelbe. In seinem nächsten Match gegen Mark Davis ging es dann leider nicht so gut. Er verlor dieses Match mit 2:4. Auch Marco Fu hatte in Fürth kein gutes Händchen, verlor mit 3:4 im Decider gegen Sam Baird. Weitere Ergebnisse finden Sie im Liveticker der wsa unter www.worldsnooker.com.

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