Das Halbfinale am Freitagabend im Tempodrom war so gut wie ausverkauft. Nach den 42 leeren Plätzen musste man schon sehr intensiv suchen in der Menschenmenge, die sich in der Arena eingefunden hatte, um die ersten Ranginghalbfinals auf deutschem Boden seit mehr als 13 Jahren zu sehen. Im ersten Halbfinale trafen Graeme Dott und Mark Selby aufeinander, das zweite bestritten Mark Williams und Marco Fu.
Die beiden Halbfinals zeigten auf wunderbare Weise die beiden Seiten, die es im Snooker gibt: Ein Match verlief schnell, attackierend und war - so schien es zumindest - in einem Augenblick zuende. Das zweite Halbfinale war ein harter Kampf, in dem die Kunst des Grindings - also des langsamen zermahlen des Gegners - bis zum letzten Frame ausgespielt wurde.

Mark Williams vs Marco Fu

 

Mark Williams setzte in diesem Match seinen unbedingten "Vorwärts" Stil fort. Die meiste Zeit wirkte er so, als ob er sicher wüsste, dass ihm eh alles gelingen würde und er sich deswegen keine zwei Gedanken um einen Ball machte. Er lochte lange Bälle, schwierige Balle, unmögliche Bälle und war im Break so schnell, dass Ronnie "the rocket" O'Sullivan sich besser nach einem neuen Spitznamen umschauen sollte. Marco Fu hingegen setze seinen für ihn typischen ruhigen, kontrollierten und perfekt im Spielfluss liegenden Stil fort. Im letzten Match gegen Joe Swail war es Fu vor allem durch das beharrliche Einfahren von kleineren Punktbeträgen gelungen, sich das Match zu sichern und auch um ersten Frame des Halbfinals gelang ihm das. Er sicherte sich das 1:0 mit einem Break von 60 Punkten und mehreren einzelnen Roten. Williams hatte zwar ein Break von 59 Punkten vorgelegt, aber Fu brachte es fertig, ihm den Frame noch zu stehlen. Im zweiten Frame war es erneut Williams, der zuerst ins Break kam, 59 Punkte machte, dann aber aussteigen musste. Marco versuchte mehrmals, Rote zu lochen - aber erfolglos - und was noch schlimmer war: Er ließ Williams dabei immer einsteiger liegen. Mit Minibreaks von 3 und 4 schaffte Williams den Ausgleich zum 1:1. Im dritten Frame zeigte Mark Williams ein 28 Punkte Break, dass das Publikum fesselte. Er lochte zwei lange Rote den Tisch runter, schnitt eine Rote dünn in die Tasche. Die dritte lange wollte dann aber nicht mehr fallen und Fu hatte die Chance, diese Rote, die im Tascheneinlauf liegengeblieben war, als Einsteiger zu nutzen. Das tat er auch, verschoss aber nach 15 Punkten, so dass Mark Williams wieder an den Tisch konnte. Er machte 46 Punte aus dieser Chance und es stand 2:1.


Der letzte Frame vor dem MSI hatte ein reichlich kurioses Ende, doch zunächst einmal der Verlauf: Wieder stieg Williams mit einer langen Roten ein, holte 49 Punkte und wollte dann, da er keine Fortsetzung fand, die Weiße eng hinter Schwarz ablegen. Aber er gab zu wenig Tempo, verfehlte die Schwarze und Marco Fu entschied, wie man es nach einem Foul darf, dass Mark Williams sich schön selbst aus dem Snooker, den er selber gelegt hatte, befreien sollte. Das tat Mark auch und anschließend machte Fu einen Safefehler und Williams hatte direkt wieder einen Einsteiger liegen. Er scorte noch einmal 30 Punkte, was Fu in der Position ließ, Snooker zu brauchen. Dann spiele Williams einen Safetiestoß und ging einfach ins MSI, ohne abzuwarten, ob Fu überhaupt bereit war, den Frame schon aufzugeben? Marco stand eine Zeit lang verwundert am Tisch, sah Williams, der die Arena verließ, hinterher und folgte ihm erst nach einer Weile mit einem 1:3 Rückstand ins MSI.
Den ersten Frame nach dem MSI entschied Fu mit einem Break von 66 Punkten eindeutig für sich.
Der zweite Frame nach dem MSI begann für Fu nicht sehr erfreulich. Er versuchte dreimal bei den Eröffnungssafeties das Pack der Roten von der Baulk Area aus anzuspielen, aber es gelang ihm erst im dritten Versuch. Und trotz aller Vorsicht blieb eine Rote für Williams liegen. Der lochte aber nicht nur Rot, sondern auch Weiß und bekanntlich ist die Weiße beim Snooker der einzige Ball, der tunlichst auf dem Tisch bleiben sollte. Nach dem Foul fand Fu einen Einsteiger, fand aber nach 18 Punkten keine Fortsetzung. Die anschließenden Safeties wurden ab und an von kleineren Breaks beider Spieler unterbrochen, aber so richtig ins Rollen kam in diesem Frame keiner. Fu entschied den Frame schließloich mit dem Fluken einer Roten für sich. Das honorierte Williams, indem er sich über die Bande lehnte und so tat, als würde er sich in die Tasche, die den Fluke aufgenommen hatte, übergeben müssen. Als er später im Match selber einen Fluke hatte, ging er freilich wesentlich netter mit der Tasche um und streichelte sie sanft. Hier war es aber Fu, der durch den Fluke und ein sich anschließendes Break den Frame zum 3:3 holte.


Doch dann drehte Williams auf und sicherte sich die nächsten beiden Frames mit Breaks von 88 und 71 Punkten, so dass die zwei Frame Führung von vor dem MSI wieder hergestellt war.
Beim 5: 3 hatte Fu nun den Druck, sich nicht einen einzigen Fehler mehr erlauben zu dürfen, denn Williams brauchte ja nur noch einen Frame für den Finaleinzug. Ob es nun der Druck war, der für die kleinen Unsauberkeiten sorgte, die Mark Williams Breaks von 32, 30 und 9 Punkten im letzten Frame erlaubten, ist nicht sicher. Sicher ist aber, dass Mark Williams mit seinem Hurra - Stil und der teilweise kompromislosen Attacke auf dem Tisch das Halbfinale mit 6:3 gewinnen konnte.

Mark Selby gegen Graeme Dott

Dieses Match, da sind sich die Experten, die bisher drüber geschrieben haben, einig, war eine Gala - Grinder - Vorstellung von Mark Selby, der es Frame um Frame schaffte, mit seinem Klein/Klein Spiel, die Nerven von einem bei weitem nicht mehr so sicher wie am Vortag spielenden Graeme Dott zu zermahlen. Die Taktik ist einfach: Wenn nicht ein hundertprozentiger Ball liegen bleibt, spielt man Safe. Genau das tat Selby auch über weite Strecken des Matches. Er lochte Rot, hatte dann zwar eine mögliche Farbe, die aber nicht hundertprozentig einen Locherfolg garantierte, also spielte er lieber Safe hinter eine Farbe. Der daraus resultierende Matchverlauf lässt ndann keine sonderlich hohen Breaks zu und natürlich ist es für die Zuschauer auch kein so herrlicher Anblick wie ein Mark Williams, der um den Tisch fliegt und mal eben ein Break von 88 Punkten macht, als währe es das einfachste auf der Welt. Aber auch die sogenannten "Grinder" haben ihre Daseinsberechtigung und sind im Snooker von jeher erfolgreich gewesen. Peter Ebdon gilt z.B. auch als ein Meister des Grinding Spiels.


Natürlich braucht es für den Grinder dann auch einen Gegner, der sich zermahlen lässt und nachdem Dott das Match doch recht stark anfing wurde es, je weiter das Match  fortschritt, für ihn mehr Krampf als Kampf. Den ersten Frame gewann Dott noch mit einem schönen Break von 83 Punkten, dann aber begann der Kriegstanz um jeden einzelnen Ball.Mit kleineren Breaks sicherte sich Selby den Ausgleich zum 1:1
Im nächsten Frame legte Selby eine 64 vor, Dott räumte aber nach einem Fehler von Selby den Tisch komplett ab und stahl ihm den Frame mit einer 66 Punkte Clearence zum 2:1.
Im nächsten Frame gab es eine sehr lange Safetiephase, die Selby mit dem lochen einzelner Roter unterbrach, dann wieder safe spielte. Aber schließlich fand Dott den einstieg, machte ein Break von 75 Punkten, so dass Selby schon Snooker brauchte, als er wieder an den Tisch kam. Natürlich gibt ein Grinder den Frame nicht so einfach auf, denn solange noch Bälle auf dem Tisch liegen, besteht noch eine Chance. Mark bekam auch einen von 3 benötigten Snooker, begann dann aber selbst ein Foul, so dass Dott diesen Frame für sich verbuchen konnte. Mit 3:1 gingen die beiden ins MSI und schon da hatte Selby deutlich gemacht, wie er das Match weiterführen wollte.


Und es ging weiter im Safetie-um-jeden-Preis Stil. Dott wurde immer ungeduldiger, Selby war immer öfter am Tisch, amchte zwischendurch auch mal ein höheres Break von 71 Punkten, doch anders als bei Williams wirkte das Break wie harte, harte Arbeit. Selby ist ohnehin ein sehr bedächtiger und kontrollierter Spieler, aber in diesem Halbfinale schien es so, als ob er die eine oder andere Runde um den Tisch nur deswegen drehte, weil er ein paar Schritte laufen wollte.
Die meisten Breaks ab jetzt bewegten sich im 20 - 30 Bereich und erst im letzten Frame, als Selby mit 5:3 führte, schaffte er wieder ein höheres Break von 60 Punkten.

Die Frage, die sich für das heutige Finale stellt, ist jetzt die: Wer gewinnt? Grinder oder Vorwärtsstil?